Die richtige Ernährung bei Muskelverletzungen

Die richtige Ernährung bei Muskelverletzungen

WAS ESSEN BEI MUSKELVERLETZUNGEN?

Wer kennt es nicht? Man ist richtig gut im Training, doch dann bremst einen plötzlich eine muskuläre Verletzung aus und es heißt erstmal pausieren! Im Laufsport müssen ca. 50% aller Langstreckenläufer regelmäßig eine verletzungsbedingte Pause einlegen (5). Im Fußball sind fast ein Viertel aller Verletzungen muskuläre Schäden an den Hamstrings (3). Die gute Nachricht: Du kannst mit einer angepassten Ernährung das Beste aus deiner Zwangspause rausholen und sie sogar verkürzen. Damit du so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommst, geben wir dir heute die wichtigsten Tipps mit auf die Hand!

WELCHE MUSKULÄREN VERLETZUNGEN GIBT ES?

Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten der muskulären Verletzung: Prellungen, Überdehnungen und funktionale Verletzungen. Der Grad einer muskulären Verletzung reicht von einer leichten Verletzung mit akuter Pause (Grad 1) über moderate Verletzungen mit zwei bis drei Wochen Pause (Grad 2) bis hin zum vollständigen Funktionsverlust und monatelanger Rehabilitation (Grad 3). Die meisten Verletzungen fallen unter Grad 1 und haben keine großen Konsequenzen für dich und deine Leistungsfähigkeit.

Hat es dich doch schwerwiegender erwischt, kannst du einiges tun, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Um zu verstehen, warum das so ist und wie du dir helfen kannst, machen wir einen kurzen Exkurs in die Abläufe muskulärer Verletzungen und die darauffolgenden Heilungsprozesse.

WAS PASSIERT BEI UND NACH MUSKULÄREN VERLETZUNGEN?

Jeder Muskel hat einen Ursprung und einen Ansatz. An diesen beiden „Enden“ geht das Muskelgewebe in Sehnengewebe über. Dort findet die Kraftübertragung auf den Knochen statt, der über die Sehne mit dem Muskel verbunden ist. Muskeln bestehen auf unterster Ebene aus Myofibrillen, die wiederum die kontraktilen Elemente des Muskels, die Sarkomere, enthalten:

Im sportlichen Kontext entstehen die meisten Verletzungen bei exzentrischen Kontraktionen, da hierbei weitaus größere Kräfte als bei konzentrischen und isometrischen Kontraktionen möglich sind (9). In der Exzentrik wird der Muskel durch externe Kräfte in die Länge gezogen und hält durch die eigene Kontraktion dagegen, um die Dehnung und die damit einhergehende Krafteinwirkung auf das Gewebe abzufedern. Ist der Muskel dabei für einen kurzen Moment nicht stark genug, entstehen strukturelle Schäden, meistens am Übergang vom Muskel zur Sehne. In aktiviertem Zustand versagt besonders die Kraftübertragung des Muskels an den extrazellulären Raum. In passivem Zustand versagt häufiger das Muskelgewebe und die Myofibrillen werden auseinandergerissen.

Anschließend beginnt der Heilungsprozess, den man in drei Phasen (4) unterteilt:

1. Zerstörungsphase
Hier stirbt ein Teil des beschädigten Gewebes ab. Die Muskelfasern kontrahieren und in dem entstehenden Spalt beginnt eine Entzündungsreaktion.

2. Reparaturphase
Sie beginnt mit der Beseitigung des toten Gewebes durch die sogenannten "Neutrophilen“. Innerhalb von 5–6 Tagen wird der tote Teil der Muskelfaser durch die regenerierende Muskelfaser ersetzt.

3. Umgestaltungsphase
Die Reifungsphase der regenerierenden Muskelfasern, die die Bildung eines ausgereiften kontraktilen Apparats umfasst. Die Enden der regenerierten Muskelfasern binden aneinander und an neu gebildete Muskel-Sehnen-Übergänge.

Während dieser Phasen können wir mit einer angepassten Ernährung zielgerichtet unterstützen.


WAS TUN, UM DEN HEILUNGSPROZESS ZU UNTERSTÜTZEN?

Im weiteren Verlauf des Heilungsprozesses solltest du besonderen Wert auf die Minimierung der Entzündungsreaktion legen. Ein gewisser Entzündungsgrad ist wichtig, um totes Gewebe abzubauen und Viren oder Bakterien vor dem Eindringen in tiefere Schichten zu hindern. Fällt diese Reaktion zu stark aus, kann auch gesundes Gewebe angegriffen werden. Dies verlangsamt den Heilungsprozess oder führt sogar zu stärkeren Verletzungen.

Und hier kommen die Fette ins Spiel: 20-25% deines Energiebedarfs solltest du über Fette decken, jedoch kommt es auf das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren (zwischen 1:1 und 1:5) an. Dabei spielen besonders die Omega-3-Fette eine bedeutende Rolle, denn sie sind essenziell für die Heilung verletzter Gewebsstrukturen und verringern die Ausschüttung proinflammatorischer (entzündungsfördernder) Stoffe (2).

Omega-3-Fettsaeuren.jpg (755×472)

Um ein gutes Verhältnis zu erreichen, solltest du insbesondere auf Fastfood-Produkte verzichten. Der hohe Anteil an Transfettsäuren kann den Heilungsprozess verlangsamen. Nicht nur wirken sich diese proinflammatorisch aus, sondern greifen auch negativ in deinen Fettstoffwechsel ein und verlangsamen die Bildung neuer Zellen. Reduziere die Aufnahme von Fett aus Produkten wie Margarine, Fertiggerichten und frittierten Snacks wie Chips. Möchtest du dennoch mal lecker snacken, gibt es zahlreiche gesunde Optionen wie Avocado-Toast, Joghurt mit Früchten und Leinöl oder ganz einfach ein paar Nüsse. Es ist jedoch schwer deinen Omega-3-Bedarf über natürliche Lebensmittel zu decken. Aus diesem Grund empfehlen wir dir 3-4g/Tag über ein reines Produkt zu supplementieren.

Die mit der Entzündung freigesetzten Neutrophilen bauen nicht nur Zelltrümmer ab, sondern tragen auch zu weiteren Zellschädigungen bei (8). Durch die Abgabe freier Radikale greifen sie die Strukturen der Muskelzellmembranen an und verursachen noch Tage nach der ursprünglichen Verletzung sekundäre Schäden. Das ist der Grund dafür, dass du deinen Muskelkater am zweiten und dritten Tag nach der Belastung meistens noch stärker spürst. In diesen Mechanismus kannst du mit Hilfe von antioxidativen Lebensmitteln unterstützend eingreifen. Vitamin C & E, Selen sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Carotinoide, Polyphenole und Flavonoide wirken gezielt den freien Radikalen entgegen. Eine Orientierung bieten dir kräftige Farben in Obst und Gemüse. Stell‘ dir einen Beilagensalat mit Spinat, Paprika und Karotten zusammen oder gönn dir einen Nachtisch mit Äpfeln, Beeren oder Trauben. Kirschsaft ist besonders reich an Antioxidantien (10). Ein leckerer Smoothie mit Kirschsaft, Blaubeeren, Joghurt, ggf. Eiweißpulver und etwas Leinöl ist eine wahre Antioxidantien-Bombe. Weitere antioxidative Snack- und Mahlzeitoptionen findest du in unseren Kochbüchern.

Oft machen verletzte Sportler den Fehler gänzlich auf Kohlenhydrate (KH) zu verzichten und/oder sie drastisch zu reduzieren. Dabei kann sich dein Grundumsatz aufgrund der Reparaturmechanismen sogar erhöhen und so auch der Bedarf an KH steigen. 3-5g/kg Körpergewicht sollten es pro Tag schon sein, vorzugsweise aus Vollkornprodukten, Obst und Gemüse. Durch eine ausreichende KH-Zufuhr sicherst du dein Körperprotein, welches für andere Stoffwechselsituationen und den Muskelerhalt und -aufbau zur Verfügung stehen sollte, ab (Protein Sparing Effect). 

Eine regelmäßige Proteinaufnahme ist essenziell, um einem erhöhten „Muscle Protein Breakdown“ (Aufrechterhaltung der Nitrogen Balance) durch Bewegungseinschränkung entgegenzuwirken. Für den Aufbau von Muskelgewebe benötigt dein Körper genügend Bausteine. Empfohlen werden 1,6-2,5 (bis zu 3g) g/kg KG (6). Im Optimalfall sollte die Aufnahme in regelmäßigen Dosierungen über den Tag und rund um dein Reha-Training verteilt werden. Die meisten Sportler achten häufig darauf, die Eiweißzufuhr aufrecht zu erhalten, jedoch wird gerne mal das Timing außer Acht gelassen. Es ist jedoch nicht nur die Gesamtmenge, sondern auch das Timing rund um deine regenerativen und/oder physiotherapeutischen Maßnahmen entscheidend. TIMING IS THE KEY!

Tierische Lebensmittel wie Fleisch (Rind & Hähnchen), Milchprodukte und Eier eignen sich aufgrund des hohen Leucingehalts, welcher als anaboler Trigger wirkt.  Achte bei pflanzlichen Proteinquellen wie Soja, Linsen oder Bohnen darauf, möglichst viele verschiedene Quellen zu kombinieren, da einzelne Quellen einen Mangelbestimmter Aminosäuren aufweisen können. So braucht man zum Beispiel nur 25g Whey-Proteinpulver, um auf 3g Leucin zu kommen, im Gegensatz zu 54g Hanfprotein. Auf einfache Weise erhöhst du deine Proteinzufuhr mit einem Protein-Shake. Zur Optimierung ist es sinnvoll 30-40g Casein aus Quellen wie körnigem Frischkäse, Quark oder Joghurt vor dem Zubettgehen zu dir zu nehmen. Casein wird langsamer vom Körper verstoffwechselt und steht so über einen längeren Zeitraum des Schlafes zur Verfügung.

WIE KANN ICH PRÄVENTIV VORSORGEN?

Um zu verhindern, dass es überhaupt zu einer Verletzung kommt, kannst du über deine Ernährung auch präventiv arbeiten. Das Risiko einer Verletzung wird durch Übermüdung bzw. Übertraining begünstigt (3). Folgende Aspekte kannst du für dich überprüfen, um das Risiko einer muskulären Verletzung zu reduzieren:

1. Energiezufuhr
Versuche besonders an Tagen, an denen du viel trainierst, deine Ernährung an deinen erhöhten Energieverbrauch anzupassen. Eine Strategie ist es, mehr zu snacken. In unserem Kochbuch „Athletes Delight“ findest du viele gesunde Snacks, die dir dabei helfen können.

2. Regenerationszeit
Besonders in Phasen mit wenig Erholungszeit steigt das Verletzungsrisiko. Achte in diesem Fall besonders darauf, deine Regeneration durch anti-inflammatorische Ernährung mit Omega-3 und Antioxidantien zu optimieren.

3. Kohlenhydrataufnahme
Um Ermüdung vorzubeugen solltest du nach Belastung deine Glykogenspeicher wieder auffüllen (7). Dafür darfst du dich kurz nach dem Training sogar guten Gewissens einfachen Kohlenhydraten hingeben. Durch die schnelle Verstoffwechselung kannst du deine erhöhte Glykogen-Speicherkapazität nach einer Belastung besser ausnutzen.

4. Flüssigkeit und Elektrolyte
Flüssigkeitsmangel verringert die Durchblutung deiner Muskulatur und somit die Nährstoffzufuhr. Elektrolytmangel kann außerdem zu Funktionsstörungen und Krämpfen führen. Beides kannst du mit isotonischen Sportgetränken verhindern.

5. Mikronährstoffe (Bsp. Vitamin D)
Studien zeigen, dass ein Vitamin D-Mangel mit einer defizitären Regeneration und dem Abbau von Muskulatur in Verbindung steht (1). Symptome sind Muskelschwäche, Muskelzuckungen, erhöhte Schmerzsensibilität oder ein Kribbeln in den Händen. Aber Vorsicht! Ein Überschuss kann dein Hormonsystem durcheinanderbringen. Eine sichere Obergrenze sind 4.000 IE pro Tag. Mithilfe von Vitamin D-Selbsttests kannst du ermitteln, ob eine Supplementierung sinnvoll ist. 

UNSERE TIPPS IM ÜBERBLICK

Nachdem du nun die wichtigsten Prozesse rund um muskuläre Verletzungen verstanden hast, hier die wichtigsten Take-aways nach Priorität geordnet:

  1. Eine regelmäßige Proteinzufuhr alle 4 Stunden ist wichtig. Achte auf eine hohe Proteinqualität, also Proteine mit einem hohen Leucin- und Casein-Anteil.
  2. Antioxidantien helfen, die Entzündungsfolgen zu minimieren.
  3. Omega-3-Fettsäuren sind essenziel für die Regulation von Entzündungsprozessen. Eine Supplementierung ist sinnvoll.
  4. Transfettsäuren sind das Gegenteil von Omega-3 und sollten vermieden werden.
  5. Kohlenhydrate sind wichtig für den Heilungsprozess, auch bei Bewegungseinschränkung.
  6. Es lohnt sich, gegen Mikronährstoff- und Flüssigkeitsmangel vorzubeugen, um Muskelverletzungen zu verhindern.
🛒Übrigens: Wir haben für dich eine Seite mit Produktempfehlungen angelegt.

Dort findest du unsere Empfehlungen für Supplements, Snacks und Küchenhelfer. Schau' doch mal hier: Zur Produktempfehlungsseite.



LITERATUR

1. Caballero-García, Alberto; Córdova-Martínez, Alfredo; Vicente-Salar, Néstor; Roche, Enrique; Pérez-Valdecantos, Daniel (2021): Vitamin D, Its Role in Recovery after Muscular Damage Following Exercise. In: Nutrients 13 (7). DOI: 10.3390/nu13072336.

2. Calder, Philip C. (2017): Omega-3 fatty acids and inflammatory processes: from molecules to man. In: Biochemical Society transactions 45 (5), S. 1105–1115. DOI: 10.1042/BST20160474.

3. Ekstrand, Jan; Ueblacker, Peter; van Zoest, Wart; Verheijen, Raymond; Vanhecke, Bruno; van Wijk, Maikel; Bengtsson, Håkan (2023): Risk factors for hamstring muscle injury in male elite football: medical expert experience and conclusions from 15 European Champions League clubs. In: BMJ open sport & exercise medicine 9 (1), e001461. DOI: 10.1136/bmjsem-2022-001461.

4. Järvinen, Tero Ah; Järvinen, Markku; Kalimo, Hannu (2013): Regeneration of injured skeletal muscle after the injury. In: Muscles, ligaments and tendons journal 3 (4), S. 337–345.

5. Kakouris, Nicolas; Yener, Numan; Fong, Daniel T. P. (2021): A systematic review of running-related musculoskeletal injuries in runners. In: Journal of Sport and Health Science 10 (5), S. 513–522. DOI: 10.1016/j.jshs.2021.04.001.

6. Papadopoulou, Sousana K. (2020): Rehabilitation Nutrition for Injury Recovery of Athletes: The Role of Macronutrient Intake. In: Nutrients 12 (8). DOI: 10.3390/nu12082449.

7. Ranchordas, Mayur Krachna; Dawson, Joel T.; Russell, Mark (2017): Practical nutritional recovery strategies for elite soccer players when limited time separates repeated matches. In: Journal of the International Society of Sports Nutrition 14, S. 35. DOI: 10.1186/s12970-017-0193-8.

8. Tidball, James G. (2005): Inflammatory processes in muscle injury and repair. In: American journal of physiology. Regulatory, integrative and comparative physiology 288 (2), R345-53. DOI: 10.1152/ajpregu.00454.2004.

9. Tidball, James G. (2011): Mechanisms of muscle injury, repair, and regeneration. In: Comprehensive Physiology 1 (4), S. 2029–2062. DOI: 10.1002/cphy.c100092.

10. Vitale, Kenneth C.; Hueglin, Shawn; Broad, Elizabeth (2017): Tart Cherry Juice in Athletes: A Literature Review and Commentary. In: Current sports medicine reports 16 (4), S. 230–239. DOI: 10.1249/JSR.0000000000000385.


BILDER & GRAFIKEN:

1. Skelettmuskel: https://www.doccheck.com/de/detail/photos/41902-aufbau-der-skelettmuskulatur

2. Omega-3-Fettsäuren: https://dastrainingsabc.de/wp-content/uploads/2021/11/Omega-3-Fettsaeuren.jpg


Hinterlasse uns einen Kommentar