CGM-Blutzuckermessung im Sport

CGM-Blutzuckermessung im Sport

Gamechanger oder Spielerei?

Die kontinuierliche Blutzuckermessung ist eine Technologie aus der Diabetes-Medizin, die sich seit einiger Zeit auch bei Sportlern immer größerer Beliebtheit erfreut. Was genau dahintersteckt und ob der Einsatz auch für dich in Frage kommt, erfährst du in diesem Artikel. Doch zunächst nochmal ein kleiner Exkurs:

„Lebensmittel, die zu hohen Blutzuckerwerten führen, sind immer schlecht und sollten vermieden werden.“

„Je höher mein Blutzucker beim Sport, desto besser.“

„Blutzuckerspitzen und -schwankungen sollten unbedingt verhindert werden.“

Halbwahrheiten wie diese machen in den sozialen Medien schnell die Runde, wenn aus dem Zusammenhang gerissene Wissensfetzen falsch interpretiert werden. Was es mit dem Thema Blutzucker wirklich auf sich hat, haben wir bereits im Artikel „Blutzuckerregulation im Sport“ ausführlich erläutert. Da der folgende Artikel darauf aufbaut, empfehlen wir dir zuerst diesen Artikel zu lesen, vor allem wenn das Thema insgesamt noch neu für dich ist.

ABER NUN ZUM EIGENTLICHEN THEMA: WAS IST ÜBERHAUPT „CGM“?

CGM steht für Continous Glucose Monitoring, also die kontinuierliche Messung des Glukosespiegels. Diese erfolgt mittels kleiner Sensoren, die mit einem Applikator direkt auf der Haut angebracht werden und über einen dünnen Fühler (<0,4 mm) alle paar Minuten (je nach Modell) den Glukosegehalt in der Gewebsflüssigkeit im Zellzwischenraum (Interstitium) messen.

ANWENDUNG IN DER PRAXIS

Da die Glukosekonzentration nicht wie bei der herkömmlichen Messung direkt im Blut vorgenommen wird, lautet die wohl wichtigste Frage für die Praxis, ob ein CGM-Sensor den tatsächlichen Blutzuckerwert akkurat wiedergibt. Studien zu dieser Fragestellung kommen mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass die Sensoren eine gute bis sehr gute Messvalidität aufweisen (4, 5). Abweichungen werden vor allem in Situationen festgestellt, in denen sich der Blutzuckerspiegel schnell verändert, also z.B. nach dem Essen oder beim Training (5, 9). Hierbei ist jedoch wichtig zu verstehen, dass diese Abweichungen i.d.R. nicht durch fehlerhafte, sondern im Vergleich zum Kapillarblut um einige Minuten verzögerte Messungen zustande kommen (9). Das liegt daran, dass die Glukose aus der Leber und dem Verdauungstrakt zuerst in den Blutkreislauf und aus diesem dann erst in den Zellzwischenraum gelangt, wo die CGM-Messung stattfindet (1, 3). Wie groß die Verzögerung ist und von welchen Faktoren sie genau abhängt ist nicht bekannt, jedoch wird vermutet, dass unter Belastung physiologische Veränderungen des Blutflusses, der Temperatur und des Säuregehalts des Körpers eine Rolle spielen und die Range zwischen 5 und 25 Minuten liegt (7). Eine Echtzeitdarstellung des Blutzuckers während der Sporteinheit ist also nicht möglich. Aber ist das im Sportkontext überhaupt notwendig? Um diese Frage zu beantworten, solltest du verschiedene Anwendungsszenarien voneinander unterscheiden:

1. Echtzeit-Steuerung
Wenn es dir darum geht, das Fuelling deiner Einheit direkt anhand der aktuellen CGM-Werte in Echtzeit zu steuern, dann ist die Verzögerung zwar ein limitierender, aber nicht alles ausschließender Faktor. Denn auch die verzögerten Werte können dir dabei helfen, einen Blutzuckerabfall rechtzeitig zu erkennen, bevor es zu spät ist. Laboruntersuchungen zeigen, dass sich der Eintritt einer Hypoglykämie etwa 15-30 Minuten vorher durch einen beginnenden Blutzuckerabfall erkennen lässt (2). Im Schnitt ist das etwas länger als die Verzögerung der CGM-Messung, sodass sich eine drohende Unterzuckerung meistens schon erkennen lässt, bevor du sie selbst bemerkst, indem du „gegen die Wand fährst“. Um eine Hypoglykämie handelt es sich per Definition dann, wenn dein Blutzuckerspiegel für mindestens 15 Minuten am Stück <70 mg/dl abfällt, doch bereits wenige Minuten in diesem Bereich können deine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und unangenehme Symptome wie Schwächegefühle, Zittern und Schwindel hervorrufen (2). Diese Effekte treten jedoch nicht bei jedem in gleicher Intensität auf, sondern sind von der Belastungssituation und der physiologischen Individualität des Sporttreibenden abhängig, denn der Glukosestoffwechsel kann von Person zu Person stark variieren (2). Faktoren wie Belastungsintensität und -länge, individuelle Anfälligkeit für Unterzuckerung, Glykogenspeicher, Umgebungsfaktoren und weitere spielen hier eine Rolle (6, 8).
Je häufiger du von Hungerästen betroffen bist, desto wahrscheinlicher ist es, dass du von der Anwendung eines CGM-Sensors profitieren kannst. In diesem Fall empfehlen wir eine Zufuhr von Kohlenhydraten, sobald (bei längeren Belastungen) ein Abwärtstrend im Glukoseverlauf erkennbar ist, besonders bei Werten unter 80-85 mg/dl (2).

2. Optimierung der (Pre-Workout)-Ernährung
Wenn es darum geht, das Fuelling deiner Trainingseinheiten und deines Alltags im Nachhinein zu analysieren und entsprechend der CGM-Daten anzupassen, können die Sensoren hilfreiche Informationen liefern, denn sie geben dir einen Überblick über deinen Blutzuckerverlauf in jeder Minute des Tages und auch während der Nacht. So kannst du z.B. bei Problemen mit der (reaktiven) Hypoglykämie oder der Gesamtenergieversorgung bei längeren Belastungen immer wieder verschiedene Kohlenhydratquellen und das Mahlzeitentiming testen und anpassen.

3. Selbststudium
Die CGM-Daten helfen dir dabei, deinen Stoffwechsel und insbesondere deine individuellen Blutzuckerreaktionen auf verschiedene Lebensmittel besser kennen und verstehen zu lernen. Das gilt auch für den Blutzucker im Schlaf und wie deine Ernährung diesen beeinflusst. 

DER „GAMIFICATION-FAKTOR“

Abgesehen von all dem kann die Attraktivität eines CGM-Sensors aber auch ganz woanders liegen, nämlich im „Gamification-Faktor“. Das heißt nichts anderes als die Ernährung wie ein Spiel zu betrachten mit dem Ziel, möglichst viel Zeit im Glukose-Zielbereich zu verbringen. Wenn dir das dabei hilft, eine bedarfsgerechte Ernährung auch tatsächlich umzusetzen und die Kosten dabei eher eine Nebenrolle spielen, why not? Letztendlich musst du das aber selbst wissen. Entscheidend ist außerdem, dass du dabei eine ausgewogene Basisernährung nicht vernachlässigst, nur um den ganzen Tag den „perfekten Blutzuckerwert“, den es sowieso nicht gibt, zu halten.

Um sich gut auf bevorstehende Trainings und Wettkämpfe vorzubereiten, sind wie (fast) immer die Basics am wichtigsten. In diesem Fall eine leichtverdauliche, kohlenhydratreiche sowie fett- und ballaststoffarme Mahlzeit etwa 3h vor dem Start. Passende Rezepte hierzu findest du in unseren Büchern.

EINSCHRÄNKUNGEN & UNKLARHEITEN DER CGM-TECHNOLOGIE

Neben den oben genannten Punkten ist es wichtig zu verstehen, dass dir die CGM-Blutzuckermessung nicht anzeigen kann, wie viel Glukose du noch „im Tank“ hast, denn es ist keine Füllstandsanzeige deiner Glukosespeicher. Diese befinden sich in der Muskulatur & Leber. Die Messung der Glukose-Konzentration im Blut lässt somit keinen direkten Rückschluss auf deinen Speicherstand zu. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die Technologie und damit auch seine Erforschung, insbesondere im Sportzusammenhang, noch sehr jung ist und viele bisherige Erkenntnisse noch nicht endgültig gesichert sind. Vor allem die Unterschiede zwischen Blut und Zellzwischenraum sorgen für Diskussionen. Einerseits existiert die Vermutung, dass die Gewebsflüssigkeit in seiner Funktion als Glukosespeicher vom Blut abweicht, indem sie möglicherweise wie eine Art „Glukosepuffer“ fungiert, weshalb kein direkter Transfer in Blutzuckerwerte möglich ist (3). Demgegenüber haben bisherige Studien aber bereits mehrfach belegt, dass die Exaktheit (Grad der Genauigkeit, mit dem die „echten“ Blutwerte wiedergegeben werden) der CGM-Messungen grundsätzlich hoch ist (5). Lediglich die Präzision (Zuverlässigkeit der Messungen untereinander) ist – vor allem in schwankungsintensiven Phasen – teilweise verbesserungswürdig (1). Andererseits wird aber auch gemutmaßt, dass die Glukosemessung im Zellzwischenraum zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der im Blut sogar überlegen sein könnte. Muskel- und Nervenzellen beziehen ihre Glukose nämlich aus der Gewebsflüssigkeit und nicht aus dem Blut, auch wenn die dortige Messung bisweilen als „Goldstandard“ gilt (1).

💭💡 Vor der Erfindung der CGM-Technologie waren kleine Blutproben die einzige Möglichkeit zur Bestimmung der Glukosekonzentration, doch nun ist auch die Messung im Zellzwischenraum möglich. Dies führt uns zu folgender – zugegeben gewagter – These: Sollte der Goldstandard der Glukosemessung möglicherweise neu gedacht werden? Was meinst du? Lass' uns gerne einen Kommentar da.

Ein finales Urteil über die Anwendung im Sport ist somit (noch) nicht möglich, dennoch wird die Technologie von vielen Experten als vielversprechend angesehen.

 

FAZIT

Für gesunde Hobby-Sportler ohne regelmäßige, plötzliche Leistungseinbrüche können CGM-Sensoren eine interessante Spielerei sein, viel mehr jedoch nicht. Wenn du – insbesondere bei längeren Distanzen – häufig unter „Hungerästen“ leidest, dann kann der (kurzzeitige) Einsatz eines CGM-Sensors durchaus aufschlussreich sein und dir dabei helfen, Probleme mit der Energiebereitstellung zu lösen. Ein dauerhafter Einsatz kann im Profi-Bereich vielleicht sinnvoll sein, das steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt und muss von Fall zu Fall individuell beurteilt werden.

Die Tabelle fasst noch einmal zusammen, welche Benefits ein CGM-Sensor dir nun konkret liefern kann und welche nicht:

Das kann der Sensor bzw. dabei kann er dir helfen 👍

Das kann der Sensor nicht 👎

Deinen „Blutzucker“-Verlauf 24/7 akkurat aufzeichnen

Den „Füllstand“ deiner Glukosespeicher anzeigen

Unterzucker (unter Belastung) verhindern

Deinen Blutzuckerspiegel in Echtzeit messen

Dabei helfen, deinen Stoffwechsel besser zu verstehen und ein Gefühl dafür zu entwickeln (Feedback)

 

Pre-Workout Mahlzeiten & Snacks optimieren

 

Pre-Bed-Ernährung & Schlaf besser verstehen und optimieren

 

 

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LITERATUR

  1. Jeukendrup, A (2023). Are continuous glucose monitors (CGMs) accurate? https://www.mysportscience.com/post/are-continuous-glucose-monitors-cgms-accurate.
  2. Jeukendrup, A. (2023). How can CGM be used? https://www.mysportscience.com/post/how-can-cgm-be-used.
  3. Bauhaus, H., Erdogan, P., Braun, H., & Thevis, M. (2023). Continuous Glucose Monitoring (CGM) in Sports-A Comparison between a CGM Device and Lab-Based Glucose Analyser under Resting and Exercising Conditions in Athletes. International journal of environmental research and public health, 20(15). doi:10.3390/ijerph20156440.
  4. Clavel, P., Tiollier, E., Leduc, C., Fabre, M., Lacome, M., & Buchheit, M. (2022). Concurrent Validity of a Continuous Glucose-Monitoring System at Rest and During and Following a High-Intensity Interval Training Session. International Journal of Sports Physiology and Performance, 17(4), 627–633. doi:10.1123/ijspp.2021-0222.
  5. Flockhart, M., & Larsen, F. J. (2023). Continuous Glucose Monitoring in Endurance Athletes: Interpretation and Relevance of Measurements for Improving Performance and Health. Sports Medicine, 1–9. doi:10.1007/s40279-023-01910-4.
  6. Jeukendrup, A. E., & Killer, S. C. (2010). The myths surrounding pre-exercise carbohydrate feeding. Annals of Nutrition and Metabolism, 57 Suppl 2(Suppl. 2), 18–25. doi:10.1159/000322698.
  7. Moser, O., Yardley, J. E., & Bracken, R. M. (2018). Interstitial Glucose and Physical Exercise in Type 1 Diabetes: Integrative Physiology, Technology, and the Gap In-Between. Nutrients, 10(1), 93. doi:10.3390/nu10010093.
  8. Rothschild, J. A., Kilding, A. E., & Plews, D. J. (2020). What Should I Eat before Exercise? Pre-Exercise Nutrition and the Response to Endurance Exercise: Current Prospective and Future Directions. Nutrients, 12(11), 3473. doi:10.3390/nu12113473.
  9. Zaharieva, D. P., Turksoy, K., McGaugh, S. M., Pooni, R., Vienneau, T., Ly, T., et al. (2019). Lag Time Remains with Newer Real-Time Continuous Glucose Monitoring Technology During Aerobic Exercise in Adults Living with Type 1 Diabetes. Diabetes Technology & Therapeutics, 21(6), 313–321. doi:10.1089/dia.2018.0364.

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